„Alles ist Wundenschlagen“, so hatte einst Ingeborg Bachmann das Verhängnis der Liebe definiert, „und keiner hat keinem verziehn. / Verletzt wie du und verletzend, / lebte ich auf dich hin.“ Bevor die Liebenden sich ihrer unbedingten Hingabe vergewissern können, hat schon das Wundenschlagen begonnen. Diese schwarze Utopie der Liebe hat die 1983 in Düsseldorf geborene und derzeit in Wien lebende Dichterin Sina Klein in den drei großen Zyklen ihres neuen Gedichtbands „skaphander“ kunstvoll fortgeschrieben. In versehrten Sonetten, fragmentierten Volksliedstrophen und zerbeulten Rondeaus werden hier die Beschädigungen der Liebe sichtbar gemacht: Es gibt keine harmonische Fügung in diesen Gedichten, stattdessen dominieren Figurationen der Zertrennung und Zersplitterung, Bilder der Dissonanz. Die Gedichte stemmen sich mit Hilfe eines „skaphanders“ (eine veraltete Bezeichnung für „Schutzanzug“) gegen die Fliehkräfte im Liebeskampf und gegen die Verlorenheit in der Sphäre des Digitalen. Bereits in ihrem Debüt „narkotische kirschen“ (2014) präsentierte sich Sina Klein als große Formkünstlerin: Hier experimentierte sie mit klassischen Reimformen, Volksliedstrophen und Sonetten – die sie nun in ihren neuesten Texten kunstvoll demontiert.
Sina Klein hat nach ihrem Studium der Romanistik, Anglistik und Germanistik in Düsseldorf einige Jahre am dortigen Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft gearbeitet. Dort befasste sie sich mit diversen poetischen Übersetzungen des Ophelia-Mythos. Die tote Ophelia, die Geliebte Hamlets, treibt in den berühmten Gedichten Brechts und Rimbauds „lilienweiß“ den Fluss hinab. Dieses Bild der tödlich gescheiterten Liebe wird im aktuellen Gedichtbuch Sina Kleins neu akzentuiert: „alles an uns / ist aus messern gemacht.“ (M. B.)
Auszeichnung u. a.: Förderpreis des Landes NRW für Literatur (2015).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „narkotische kirschen“, Gedichte, Klever Verlag, Wien 2014
– „skaphander“, Gedichte, Klever Verlag, Wien 2018