Geboren wurde Natascha Wodin 1945 als Tochter russischer Zwangsarbeiter in Fürth, aufgewachsen ist sie in Nürnberg und Forchheim. Nach dem Tod ihrer Mutter lebte sie fünf Jahre lang in einem katholischen Kinderheim in Bamberg. Nach den ersten Lebensjahren im einsprachig russischen Flüchtlingsmilieu lernte sie Deutsch erst in der Schule. Natascha Wodin arbeitete als Telefonistin und Stenotypistin und wurde schließlich Dolmetscherin und Übersetzerin. In den frühen 1970er Jahren war sie häufig in Russland, wo sie auch eine Zeit lang lebte, und übersetzte schließlich russische Literatur ins Deutsche. Ihre Übersetzertätigkeit umfasst unter anderem Übertragungen von russischer Lyrik und Romanen von Venedikt Erofeev, Evgenija Ginsburg und Andrej Bitov. 1981 kehrte sie nach Nürnberg zurück, seit 1993 lebt Natascha Wodin in Berlin, von 1994 bis 2002 war sie mit dem Schriftsteller Wolfgang Hilbig verheiratet. Schon ihr Romandebüt „Die gläserne Stadt“ von 1983 war stark autobiografisch geprägt. Es ist wie ein Spiegelbuch zu ihrem Roman „Sie kam aus Mariupol“ von 2017, weil die Autorin sich hier eine Familiengeschichte erschreibt, über die sie noch kaum etwas wusste. Die erfuhr Natascha Wodin erst, als sie vor ein paar Jahren den Namen ihrer Mutter ins russische Internet eingab, wider Erwarten fündig wurde und begann, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen. Ihr zum Poetenfest erscheinender Roman „Irgendwo in diesem Dunkel“ knüpft nun dort an, wo „Sie kam aus Mariupol“ endete. Die Ich-Erzählerin beschreibt in Rückblenden ihre Zeit im Kinderheim, die Rückkehr zum brutalen Vater, ihre Flucht und Obdachlosigkeit und ihr Ankommen im Leben.
Auszeichnungen u. a.: Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1981, 1988, 2015), Förderungspreis der Stadt Nürnberg, Hermann-Hesse-Literaturpreis (1984), Andreas-Gryphius-Förderpreis (1985), Stipendium des Künstlerhauses Edenkoben (1988), Brüder-Grimm-Preis (1989), Adelbert-von-Chamisso-Preis (1998), Stipendium der Akademie Schloss Solitude (1990), Literaturstipendium des Künstlerdorfs Schöppingen (1992), Wolfram-von-Eschenbach-Preis (2005), Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar (2006), Brüder-Grimm-Preis (2009), Alfred-Döblin-Preis (2015), August-Graf-von-Platen-Literaturpreis, Preis der Leipziger Buchmesse (2017).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die gläserne Stadt“, Roman, Rowohlt, Reinbek 1983
– „Das Sprachverlies“, Gedichte, Claassen, Düsseldorf 1987
– „Einmal lebt ich“, Roman, Luchterhand, Frankfurt a. M. 1989
– „Erfindung einer Liebe“, Roman, Reclam, Leipzig 1993
– „Die Ehe“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Leipzig 1997
– „Das Singen der Fische“, Erzählungen, Das Wunderhorn, Heidelberg 2001
– „Nachtgeschwister“, Roman, Kunstmann, München 2009
– „Alter, fremdes Land“, Roman, Jung und Jung, Salzburg 2014
– „Sie kam aus Mariupol“, Roman, Rowohlt, Reinbek 2017
– „Irgendwo in diesem Dunkel“, Roman, Rowohlt, Reinbek 2018