Die Bühne der Literatur betrat der Schriftsteller, Musiker und Performer, Wissenschaftler und Lehrende als Prophet der avancierten Lautpoesie. Mitte der 1980er Jahre verließ Michael Lentz – das Saxofon unter den Arm geklemmt und die ersten Lautgedichte im Tornister – seine Heimatstadt, das nordrhein-westfälische Düren, und schickte sich an, die literarische Welt zu erobern. So gelangte er als Musiker und Performer nach München, wo er zahlreiche Projekte zur experimentellen Musik und Lautpoesie inszenierte und in einer monumentalen Dissertation alles zusammentrug, was in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 einen Zusammenhang von „Körper und Stimme“ hergestellt hat.
Mit seinem Auftritt mit dem atemberaubenden Text „Muttersterben“ gelang Lentz 2001 beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb endgültig der literarische Durchbruch. Kaum hatte man Lentz als autobiografischen Chronisten eines Liebesdesasters kennengelernt – in seinem Roman „Liebeserklärung“ (2003) – wechselte er erneut das Genre: Mit „Pazifik Exil“ (2007) präsentierte der Autor einen dokumentarischen Roman über die Lebensschicksale der deutschen Exilliteratur. Er begegnet darin den großen Gestalten des 20. Jahrhunderts, den Literaten und Dichtern, die vor dem Naziregime flüchten mussten und über Umwege nach Amerika in die Freiheit gelangten.
Seit 2006 hat Michael Lentz den Lehrstuhl für Literarisches Schreiben des Deutschen Literaturinstituts Leipzig inne, publiziert wissenschaftlich und betätigt sich als Herausgeber, vor allem des Werks von Franz Mon. Im August dieses Jahres erscheint nun sein nächstes großes Prosa-Werk „Schattenfroh. Ein Reqiem“, ein gewaltiger Roman, in dem er die Frage stellt, was der Tod des Vaters für das Weiterleben bedeutet. Wer war dieser Vater? Wer bin ich? Wer „Schattenfroh“ liest, der liest Gott und den Teufel, der liest die Liebe und den Tod, die Einsamkeit und den Schmerz und die Toten des Luftangriffs auf Düren im November 1944. Tausend verzweifelte Seiten, die die Frage nicht beantworten, ob das Leben reparabel ist und uns das Erzählen heilen kann.
Auszeichnungen u. a.: Literatur-Stipendium München (1993), Kunstförderpreis des Freistaats Bayern (1999), Aufenthaltsstipendium Casa Baldi, Rom (2000), Aufenthaltsstipendium der Villa Aurora, Kalifornien, Ingeborg-Bachmann-Preis (2001), Hans-Erich-Nossack-Förderpreis (2002), Poetikdozentur Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (2003), Preis der Literaturhäuser (2005), Walter-Hasenclever-Literaturpreis (2012), Frankfurter Poetik-Vorlesungen (2012/13).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Neue Anagramme“, ed. selene, Wien 1998
– „Oder. Prosa“, ed. selene, Wien 1998
– „Ende gut. Sprechakte”, mit CD, ed. selene, Wien 2001
– „Muttersterben“, Prosa, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2002
– „Aller Ding“, Gedichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2003
– „Liebeserklärung“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2003, Audio-CD DHV, München 2003
– „Pazifik Exil“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2007
– „Offene Unruh. 100 Liebesgedichte“, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2010
– „Textleben. Über Literatur, woraus sie gemacht ist, was ihr vorausgeht und was aus ihr folgt“, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2011
– „Atmen Ordnung Abgrund. Frankfurter Poetikvorlesungen“, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2012
– Franz Mon: „Zuflucht bei Fliegen. Lesebuch“, Hrsg., S. Fischer, Frankfurt a. M. 2013
– Franz Mon: „Sprache lebenslänglich. Gesammelte Essays“, Hrsg., S. Fischer, Frankfurt a. M. 2016
– „Schattenfroh. Ein Requiem“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M., August 2018