Terézia Mora ist eine Wortbewohnerin. Jemand, die sich einnistet in den Wörtern, den Lautkörpern ungewohnte Nuancen ablauscht und ihnen ein neues Kleid auf den Leib schneidert. Die frisch gekürte Büchner-Preisträgerin versteht sich auf den Charakter von Sprache und führt eine mehrsprachige Existenz – kein Wunder bei ihrer Herkunft, die von Anfang an eine Doppelte oder sogar Dreifache war. Doppelt, weil sie in Sópron, Ungarn, mit einem deutschen Dialekt, Ungarisch sowie deutscher und ungarischer Literatur aufwuchs, doppelt, weil sie als junge Frau nach Berlin kam und Drehbücher und Erzählungen schrieb, doppelt auch, weil sie seit vielen Jahren gleichzeitig Schriftstellerin und Übersetzerin ist. Zu ihrem weit gefächerten Figurenkosmos gehören Helden der Mehrsprachigkeit wie der weltfremde Übersetzer Abel Nema aus „Alle Tage“ (2004), der kein Geruchsvermögen hat, aber Fremdsprachen akzentfrei im Handumdrehen aufsaugt, oder auch Darius Kopp aus „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ (2009) und „Das Ungeheuer“ (2013), ein gutmütiger Informatiker mit einer Neigung zum Chaos, der mühsam die inneren Zustände seiner Ehefrau Dora dechiffrieren muss. Überhaupt versteht sich Mora, die von der Ästhetik der europäischen Moderne geprägt ist und zuletzt einen Band mit Erzählungen vorlegte, auf Zwischenräume und Ortlosigkeit – ihre Figuren sind häufig zwischen den Welten, Systemen, Jobs und Bewusstseinssphären unterwegs. Terézia Mora weiß, wie man diese Zustände erzählerisch bannen kann.
Maike Albath
aktuell: Die Liebe unter Aliens. Erzählungen. Luchterhand. München, Sep 2016