Sie sei „geschockt“, sagte die 35- jährige neue Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk am 8. Juli 2018. Sie habe nicht mit dem Preis für den Text „Frösche im Meer“ gerechnet. Dabei behandelt er Themen, die uns umtreiben: Die heimatlosen Flüchtlinge und die heimatlosen Alten. Zwei Menschengruppen, die unsere Ruhe stören. So wie Tanja Maljartschuk selbst, die nach einem Studium in ihrer ukrainischen Geburtsstadt Iwano-Frankiwsk und einer Tätigkeit als Journalistin in Kiew, im Jahr 2011 ihr Land verließ und seitdem in Wien lebt, eine Geflüchtete ist. „Frösche im Meer“ handelt vom Ukrainer Pedro, der ohne Pass in Wien lebt, im Park die Wege kehrt und eine alte Frau kennenlernt, die freundlich zu ihm ist und „herrlich“ sagt. Die dramatische Wendung dieser schönen Freundschaft wird von türkischen Nachbarinnen herbeigeführt. Und alles fällt zusammen, wie die Mauern im Haus von Pedros verstorbener Mutter.
Wie schon in ihrem 2013 erschienenen Roman „Biografie eines zufälligen Wunders“ ist für Tanja Maljartschuk die Realität nicht ohne Ironie auszuhalten. Frösche können nicht im Meer leben, Menschen nicht glauben, dass Flüchtlinge Freundschaft suchen und Gutes tun wollen. Die Autorin mischte sich in die Politik ein. In einem Zeitungsartikel vom März 2014 appellierte sie an Russland: „Du bist ein intelligentes Land. Dennoch verwendest Du das Wort ‚Bruder’ immer noch falsch. Du nennst uns, die Ukrainer, Brudervolk, gleichzeitig schickst Du deine Armee in unser Land.“ Der Aufsatz endet mit dem Bekenntnis: „Russland, mein Leben lang habe ich dich gehasst. Ich war eine fundamentalistische Antirussin (...) Ich hasse Dich nicht mehr. Ich weiß, dass es mich schwächer und dich stärker macht. Hass ist dein Futter. Schau, wie groß Du geworden bist, Russland.“ Aus dieser Zerrissenheit und Erkenntnis lebt die Literatur der diesjährigen Bachmann-Preisträgerin. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Joseph-Conrad-Award, Ukraine/Polen (2013), Stipendium der Akademie der Künste Berlin (2015), Ingeborg-Bachmann-Preis (2018).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Neunprozentiger Haushaltsessig“, Erzählungen, Residenz, St. Pölten 2009
– „Biografie eines zufälligen Wunders“, Roman, Residenz, St. Pölten 2013
– „Von Hasen und anderen Europäern. Geschichten aus Kiew“, edition.fotoTAPETA, Berlin 2014
– „Überflutet – Povin“, zweisprachig, Ed. Tannhäuser, Ottensheim 2016
– „Vergessenheit“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019