„Die Glücklichen“, der Debütroman der Hamburgerin Kristine Bilkau, war 2015 ein Überraschungserfolg. Sie beschrieb darin, wie eine glückliche junge Familie mit Kind, er Zeitungsredakteur, sie Cellistin, erst in die Arbeitslosigkeit rutscht und dann finanziell und seelisch immer tiefer sinkt. „Die Glücklichen“ wurde zu Recht zum „Generationenroman“ ausgerufen. Kristine Bilkau bekam Preise und Stipendien. Der Roman wurde zu einem Theaterstück umgeschrieben. Eine Autorin hatte sich durch ihr Talent zur atmosphärisch dichten Beschreibung innerer Gefühlszustände durchgesetzt. Ihr zweiter Roman verlässt den sicheren Boden der Gegenwart, schaut zurück auf das Leben der verstorbenen Mutter und öffnet den Blick für eine weibliche Existenz in den frühen sechziger Jahren. „Eine Liebe, in Gedanken“ erzählt von Antonia und ihrem Freund Edgar, von den Verklemmungen, Konventionen, Verboten und Tabus. Wie das Leben dieser Antonia verlief, woran und wieso es ein unerfülltes Leben immer mit einem Sehnsuchtsseufzer im Hintergrund blieb, das interessiert die Autorin. Kristine Bilkau nennt es den „Blinden Fleck“. „Eine Liebe, in Gedanken“ ist eine Recherche. Wieder gelingt es ihr, die soziale Zeit der Handlung mit ihrer spezifischen Stimmung darzustellen. Alles entwickelt sich zögernd, gedämmt von den langen Schatten des Zweiten Weltkriegs, dem Willen zum Wiederaufbau, dem Aufstiegswunsch, der persönlichen Verklemmtheit und der damit zusammenhängenden Ignoranz. Kristine Bilkau holt die vergangene Zeit und das Klima, das zu ihr gehört, zurück. Die Liebesgeschichte zwischen der tüchtigen Antonia und dem ängstlich tastenden Edgar, der seine Toni liebt, aber kein Vertrauen in sich selbst hat, findet ein trauriges Ende oder eigentlich kein Ende, denn das Leben Antonias wird durch diese verhinderte Liebe bestimmt. Wozu der Film viel Stoff, Möbel und Haarspray braucht, das gelingt Kristine Bilkau mit der Kunst der Beschreibung. (V. A.)
Mit der Erzählung „Die kurze Zeit der Magischen Logik“ liefert Kristine Bilkau darüber hinaus einen Beitrag zu Lina Muzurs Anthologie „Sagte sie. 17 Erzählungen über Sex und Macht“, und ist außerdem im Tandem mit Omar Al-Jaffal zu Gast in der „Langen Nacht des Weiterschreibens“.
Auszeichnungen u. a.: Finalistin Open Mike-Literaturpreis (2008), Stipendium des LCB (2009), Literaturstipendium des Künstlerdorfs Schöppingen (2010), Literaturförderpreis Hamburg (2013), Franz-Tumler-Literaturpreis, Klaus-Michael-Kühne-Preis (2015), Stipendium der Märkischen Kulturkonferenz (2016).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Glücklichen“, Roman, Luchterhand, München 2015
– „Eine Liebe, in Gedanken“, Roman, Luchterhand, München 2018
– „Die kurze Zeit der Magischen Logik“, Erzählung, in: Lina Muzur (Hrsg.): „Sagte sie. 17 Erzählungen über Sex und Macht“, Hanser Berlin 2018