Ein Komparatist muss viel im Blick haben. Die Komparatistik beschäftigt sich mit der Gesamtheit der formalen, historischen, thematischen Beziehungen zwischen den Werken verschiedener Nationalliteraturen und unterschiedlicher Zeit-, Sprach- und Kulturräume. Sie vergleicht die Vielfalt von Stoff-, Motiv-, Problem-, Gattungs- und Epochenzusammenhängen in fachübergreifender und nationenübergreifender Perspektive. Von seiner akademischen Disziplin her ist der Tiroler Raoul Schrott Komparatist. Das merkt man seinen literarischen Arbeiten an. Er stellt große Zusammenhänge her – nicht nur mit seinem Epos „Erste Erde“ (2016) ist ihm das mit einer poetischen Evolutionsgeschichte der Welt unnachahmlich gelungen. Das Eindringen in die Literaturen war bei Schrott nie rein analytisch und akademisch sondern stets ebenso dichterisch. Dafür steht Prosa wie „Tristan da Cunha“ (2003) oder „Das schweigende Kind“ (2012) und Lyrik wie „Die Kunst an nichts zu glauben“ (2015) und dafür stehen seine bahnbrechenden Übersetzungen u. a. der „Backchen“ von Euripides (1999), des Gilgamesch-Epos (2001) und Homers „Ilias“ (2008). Die Wirkungsgeschichte von Kulturen hat er in seinen Studien zu Troja oder zur Konstruktion von Poesie diskutiert. Auch sein neuer Essay-Band „Politiken & Ideen“ untersucht Literatur und Kultur als Erziehungsmächte für unser Denken. (H. H.)
Auszeichnungen u. a.: Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1993), Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (1994), Leonce-und-Lena-Preis (1995), Rauriser Literaturpreis, Berliner Literaturpreis, Robert-Musil-Stipendium, Friedrich-Hölderlin-Förderpreis (1996), Peter-Huchel-Preis (1999), Joseph-Breitbach-Preis, Mainzer Stadtschreiber (2004), Tiroler Landespreis für Kunst (2009), Poetikdozentur Tübingen (2012).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Hotels“, Gedichte, Haymon, Innsbruck 1995
– „Finis terrae. Ein Nachlaß“, Roman, Haymon, Innsbruck 1995
– „Tropen. Über das Erhabene“, Gedichte, Hanser, München 1998
– „Bakchen. Nach Euripides“, Novelle, Hanser, München 2000
– „Khamsin“, Erzählung und Essay, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2002
– „Die Wüste Lop Nor“, Novelle, Hanser, München 2000
– „Tristan da Cunha oder Die Hälfte der Erde“, Roman, Hanser, München 2003
– „Weissbuch“, Gedichte, Hanser, München 2004
– „Handbuch der Wolkenputzerei“, Essays, Hanser, München 2005
– „Homers Heimat. Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe“, Hanser, München 2008
– „Die Blüte des nackten Körpers. Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten“, Hanser, München 2010
– „Das schweigende Kind“, Erzählung, Hanser, München 2012
– „Die Kunst an nichts zu glauben“, Gedichte, Hanser, München 2015
– „Erste Erde“, Epos, Hanser, München 2016
– „Politiken & Ideen“, Essays, Hanser, München 2018