Nach „Das Mädchen“ (2011) und „April“ (2014) schließt Angelika Klüssendorf mit ihrem aktuellen Roman „Jahre später“ ihre äußerst beeindruckende, autobiografisch grundierte Trilogie über ein Mädchen ab, das in der DDR aufwächst und in die BRD auswandert. Mit „Das Mädchen“ ist ihr „einer der radikalsten und bewegendsten Adoleszenzromane deutscher Sprache geglückt“, urteilte damals Die Zeit. Darin trotzt ein namenloses Mädchen mit großer innerer Stärke allen Widrigkeiten einer Kindheit in der DDR der Siebziger Jahre in einem Umfeld aus Gewalt, Armut, Alkoholismus und emotionaler Verkümmerung. In „April“ wird diese existenzialistische Fabel weitererzählt. Das Mädchen, das sich nun nach einem Deep Purple-Song April nennt, rebelliert gegen ihre sadistische Mutter und die Kleinbürgerwelt. Sie flüchtet durch Lektüre aus der tristen Welt ihrer Familie und des Kinderheims und endet nach harten, selbstzerstörerischen Zeiten Mitte der Achtziger Jahre in Leipzig im kapitalistischen West-Berlin, wohin sie mit Sohn und Mann ausreist. „Jahre später“ zeigt April kurz vor der Wende 1989 als alleinerziehende, überforderte Mutter und angehende Schriftstellerin, die sich in eine Amour fou mit einem neurotischen und narzisstischen Chirurgen wirft. Diese Beziehung wird im Laufe der Jahre mit zunehmender Depression und Streit immer vergifteter und endet schließlich in einem brutalen Rosenkrieg. Doch April befreit sich auch daraus und erkennt nun den Stoff für einen großen, unsentimentalen Roman. Der letzte Satz von „Jahre später“, ist zugleich der erste Satz von „Das Mädchen“.
Angelika Klüssendorf wurde 1958 in Ahrensburg geboren und lebte von 1961 bis 1985 in Leipzig. Nach dem Schulbesuch arbeitete sie in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft und als Archivarin im Museum für Völkerkunde. Sie geriet in Widerstand zum DDR-Regime und war Mitherausgeberin der handgefertigten Literatur-Zeitschrift „Anschläge“. 1985 siedelte sie nach West-Berlin über. 1989 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Sie war 15 Jahre mit dem FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher verheiratet. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1987), Arbeitsstipendium des Berliner Senats (1989), Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim (2004), Shortlist Deutscher Buchpreis (2011, 2014), Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim (2013/14), Hermann-Hesse-Literaturpreis, Preis der SWR-Bestenliste, Hertha-Koenig-Literaturpreis (2014).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Sehnsüchte“, Erzählung, Hanser, München 1990
– „Anfall von Glück“, Erzählung, Hanser, München 1994
– „Alle leben so“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2001
– „Aus allen Himmeln“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2004
– „Amateure“, Erzählungen, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2009
– „Das Mädchen“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011
– „April“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014
– „Jahre später“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018